Bei der 130% Regel muss der Geschädigte grundsätzlich das Wirtschaftlichkeitsgebot beachten. Allerdings hat der BGH eine Ausnahme gemacht. In seinem Urteil vom 15.10.1991 hat der BGH entschieden, dass Reparaturkosten bis zu 30% über dem Wiederbeschaffungswert des beschädigten Fahrzeugs erstattungsfähig sind (BGHZ 115, 364 = NJW 1992, 302). Voraussetzung dafür ist, dass ein besonderes Interesse an der Wiederherstellung des vertrauten Fahrzeugs besteht.
Das Urteil des BGH vom 29.4.2003 stellt eine Fortführung dieser Rechtsprechung dar. Reparaturkosten können bis zu 30% über dem Wiederbeschaffungswert verlangt werden, wenn das Fahrzeug tatsächlich repariert und weiter genutzt wird. Der Restwert ist dabei nicht abzuziehen, da eine tatsächliche Reparatur durchgeführt wird und der Restwert in diesem Fall ein rein hypothetischer Wert ist (BGH NJW 2003, 2085 = VersR 2003, 918).
Die Qualität der Reparatur spielt nach diesem Urteil keine Rolle. Der BGH konkretisierte dies weiter in seinem Urteil vom 15.2.2005 (BGH NJW 2005, 1108 = DAR 2005, 266). Reparaturkosten können nur dann bis zu 130% des Wiederbeschaffungswertes verlangt werden, wenn die Reparatur fachgerecht und im Umfang durchgeführt wird, wie es im Sachverständigengutachten zur Grundlage der Kostenschätzung gemacht wurde.
Wenn der Fahrzeugschaden den Wiederbeschaffungswert übersteigt, können dem geschädigten Kfz-Eigentümer Reparaturkosten über dem Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) grundsätzlich nur dann zuerkannt werden, wenn die Reparaturkosten konkret angefallen sind oder wenn der Geschädigte nachweisbar wertmäßig in einem Umfang repariert hat, der den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigt.
Es ist angemessen, den Integritätszuschlag nur dann zu gewähren, wenn eine vollständige und fachgerechte Reparatur durchgeführt wird. Gemäß einem Urteil des BGH vom 23.5.2006 (BGH DS 2006, 281 = NJW 2006, 2179) kann der Geschädigte bei einem Fahrzeugschaden, der den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigt, zur Ausgleichung des Schadens die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes ohne Abzug des Restwertes verlangen. Dies gilt auch dann, wenn das Fahrzeug – gegebenenfalls unrepariert – mindestens sechs Monate nach dem Unfall weitergenutzt wird.
Dieses Urteil betrifft nur die fiktive Abrechnung. Bei der konkreten Abrechnung gilt weiterhin die grundlegende Rechtsprechung des BGH (BGH NJW 2005, 1108). Der BGH hat mit dem Urteil vom 10.7.2007 (BGH DS 2007, 346 m. Anm. Wortmann) sein Urteil vom 6.3. ergänzt. Im Jahr 2007 entschied der BGH (DS 2007, 188 = NJW 2007, 1674), dass bei Reparaturkosten bis 130% des Wiederbeschaffungswertes bei der Abrechnung nach den fiktiven Wiederbeschaffungskosten in der Regel der Restwert des allgemeinen regionalen Marktes in Abzug zu bringen ist, wenn der Geschädigte sein unfallbeschädigtes Fahrzeug nach einer (Teil-)Reparatur weiter nutzt. Der Restwert aus der Restwertbörse ist hingegen nicht anzurechnen.
Der BGH hat mit einem weiteren Urteil vom 10.7.2007 (BGH DS 2007, 347 m. Anm. Wortmann) die Abrechnung eingeschränkt. Wenn die voraussichtlichen Reparaturkosten mehr als 30% über dem Wiederbeschaffungswert liegen, ist eine Reparatur in der Regel wirtschaftlich unvernünftig. In diesem Fall beschränkt sich der Geschädigte auf die Wiederbeschaffungskosten. Eine Aufsplittung der voraussichtlichen Reparaturkosten in einen wirtschaftlich sinnvollen und in einen unsinnigen Teil ist nicht möglich. Das hat das Urteil des BGH vom 13.11.2007 verdeutlicht. Bei fiktiver Abrechnung hat der BGH eine weitere Einschränkung vorgenommen.
Um den Integritätszuschlag zu verdeutlichen, muss neben der Reparatur in Eigenregie noch eine sechsmonatige Nutzungszeit hinzukommen. Wenn der Geschädigte einen Fahrzeugschaden im 130%-Bereich hat, sollte er ihn fachgerecht reparieren lassen. Wenn er keine Werkstattrechnung hat, kann er die Nettoreparaturkosten nur fiktiv abrechnen, wenn er sein Integritätsinteresse durch eine sechsmonatige weitere Nutzung dokumentiert hat (BGH DS 2008, 96).
Das Urteil vom 27.11.2007 (BGH 2008, 98) hat die Rechtsprechung des BGH bei fiktiver Abrechnung aus dem Urteil vom 13.11.2007 fortgeführt. Es wurde entschieden, dass der Geschädigte bei fiktiver Abrechnung im bis zu 130%-Bereich und einer fachgerechten Eigenreparatur nur dann die fiktiven Reparaturkosten beanspruchen kann, wenn er auch den sechsmonatigen Nutzungswillen hat. Die Urteile BGH DS 2008, 96 und DS 2008, 98 beschränken die konkrete Abrechnung nicht. Der Abrechnende muss keine sechsmonatige Nutzungszeit nachweisen.